Freitag, 2. Januar 2015

Überlebenstraining in Ägypten

Eigentlich wollte ich ja gar nicht weg. Zuhause hat der Mensch doch alles, was er braucht. Eine warme Heizung, viele gute Restaurants, nette Freunde, ein eigenes Auto, schnelles WLAN, einen großen Flatscreen und immer die passende Kleidung.
Eigentlich die besten Voraussetzungen, Weihnachten 2014 in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Allein. Mit dem Flatscreen. Nach drei Tagen war ich dann soweit, nach Last-Minute-Angeboten zu suchen. Bei Thomas Cook wurde ich fündig: Eine Woche Hurghada in einer Vier Sterne-Anlage, all inklusive, für nur 654.- Euro. Vom 1. bis 8. Januar 2015. Eine Öger-Reise von Condor oder so ähnlich. Irgendwie sind die ja inzwischen alle miteinander verbrüdert, die Neckermänner und Bucher-Reisen eingeschlossen. Laut Wetterbericht sind es im Januar in Hurghada 25 Grad am Tag und 14 Grad in der Nacht. Wie sich zeigen sollte, muss man diese Werte halbieren.

Aber der Reihe nach. Als Bezahlart wählte ich „SEPA-Überweisung“, weil das ja in Europa ab sofort das Zahlungsmittel der Wahl sein sollte. Leider hatte das ein paar Nachteile, die meinen Urlaub fast noch in Frage gestellt hätten. Ich erhielt zwar eine Bestätigung über die Buchung der Reise, wurde aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Reisekosten erst am 5. Januar von meinem Konto abgebucht würden. Da wähnte ich mich aber schon lange am Strand. Da ohne Zahlung aber kein Abflug erfolgen könne, gab es da ein kleines logistisches Problem. Darauf angesprochen, beruhigte mich „Last minute.de“ (wo ich gebucht hatte), dass schon alles in Ordnung wäre.  In der Reisebestätigung, die von ÖGER kam, fehlten dann aber prompt die Flugscheine und der Hotelgutschein, da ich ja noch nicht bezahlt hätte. Also wieder angerufen, wieder gemailt, wieder vertröstet worden. Irgendwie haben die das logistisch noch nicht im Griff, Zahlungen per SEPA abzulehnen, wenn der Reisetermin bereits vor dem Abbuchungstermin liegt. Am Tag vor dem Abflug kam dann eine neue Reisebestätigung, diesmal mit den Flug- und Hotelgutscheinen. Allerdings stand auch hier wieder im Text, dass die Reise noch nicht bezahlt sei und ich nur fliegen könne, wenn ich eine Überweisungsbestätigung vorweisen könne. Erneute Rückfrage. „Das steht nur so da, das hat bei Ihnen keine Bedeutung“, bedeutete man mir, langsam genervt. „Warum schreiben Sie es dann?“ – „Das ist halt so, das geht alles automatisch.“ Moderne EDV eben. Es klappte dann alles problemlos. Zumindest was den Flug anging.

Der Abflug verzögerte sich etwa eine halbe Stunde, weil die Maschine noch nicht fertig war. Wir saßen direkt neben der 737-300 im Zubringerbus und schauten zu, wie die Abdeckungen der Triebwerke entfernt wurden und die Maschine so langsam flugfertig gemacht wurde.
Der Flug selbst startete morgens um kurz nach elf und dauerte vier Stunden und zehn Minuten. Zu essen gab es genau ein Pumpernickel-Käse-Sandwich. Zu trinken zwei kleine Becher Wasser. Kurz vor der Landung spendierte Condor den Passagieren ein Glas Sekt, weil es ja Neujahr war. Ich habe dankend verzichtet, weil mir die Silvesterparty vom Vorabend noch ein wenig in den Gliedern steckte.

Bei Condor lässt´s sich prächtig speisen
Nach der Landung war es dann vorbei mit der deutschen Pünktlichkeit. Zunächst wurden wir – nach Reiseunternehmen getrennt – zu einem Schalter geführt, an dem jeder 26.- Euro für ein Touristenvisum zahlen musste (2012 hatte das noch 15 Dollar gekostet!). Dann eine weitere, ewig lange Schlange an der Passkontrolle. Von den 12 Stationen waren nur vier besetzt, was zu einer Wartezeit von ca. 40 Minuten führte. Bis wir dann endlich von einem Zubringerbus zu den Hotels gefahren wurden, waren schon wieder 1,5 Stunden vergangen. Der Bus fuhr zick-zack durch Hurghada und setzte mich als Vorletzten vor dem Smartline Colour Beach-Hotel ab. Mein Koffer wurde auf dem Dach des Kleinbusses transportiert und war bereits sehr sandig, denn ein unangenehmer, eiskalter Wind mit feinem Sand fegte durch die Straßen.

Weihnachten auf Ägyptisch
Das Empfangsgebäude des „Smartline“ war winzig. Es enthielt die Rezeption, eine kleine Bar mit etwa 20 Sitzplätzen (alle völlig durchgesessen!) und eine Toilette. Meinen Koffer stellte man vor der Tür ab („...da passiert nix!“) und bat mich, erst einmal etwas essen zu gehen. Das wollte ich gerne, aber das direkt neben der Lobby liegende Restaurant war leider bis auf den letzten Platz besetzt. Es war halt nicht sonderlich groß. In den beiden angebauten Zelten im Freien waren zwar noch Plätze frei, aber hier hatte der Wind das Sagen, so dass ich wieder zurück an die Rezeption ging, um mir erst mal mein Zimmer anzusehen. Und da gab es dann doch Probleme. Ich hatte zwar den Voucher, also den Hotelgutschein, war aber dort nicht als Gast angemeldet. Kein Wunder, ich hatte ja auch laut System noch immer nicht bezahlt. Es dauerte weitere zwanzig Minuten und einige Telefonate, bis ich endlich ein Zimmer zugeteilt bekam. Mein Koffer war tatsächlich noch nicht geklaut worden, so dass mich Ashrad, der Kofferjunge, für zwei Euro Trinkgeld zu meinem Domizil begleitete. Hinter dem Empfangsgebäude begann erst die eigentliche Anlage, die aus insgesamt sechzehn Gebäuden bestand.

Lageplan der Anlage. Der blaue Kreis ist die Lobby. Das runde Ding rechts daneben ist der abendliche Veranstaltungsraum. Mein Apartment liegt etwa zwei Zentimeter nord-westlich von dem blauen Kreis in einem der vier Blocks.
Die vier Gebäude, die zum „Smartline“ gehörten, waren dreistöckig und beinhalteten 45 Apartments pro Block. Die anderen 12 Bauten gehörten zum Hotel „Festival“, das sich mit dem „SMARTLINE“ denselben Eingang teilte, ansonsten aber völlig unabhängig war. Na ja, nicht ganz, aber das erfuhr ich erst später. Die Zimmer waren recht ordentlich. Offenbar hatte man die Räume erst kürzlich neu angestrichen, was man an den Übergängen zu den Fußböden gut sehen konnte, weil dort so mancher Pinselstrich daneben ging. Leider hatte man vor dem Streichen die alte Farbe nicht entfernt, sodass an vielen Stellen die neue und die alte Farbe gemeinsam abblätterten. Ein 19-Zoll AKAI-Röhrenfernseher empfing immerhin 16 Programme, darunter auch drei deutsche. Ein Tresor fehlte leider, was hinsichtlich meines elektronischen Fuhrparks recht problematisch war. WLAN ging blöderweise auch nicht, was mich zu einem weiteren Gang an die Rezeption veranlasste. Der einzige Mitarbeiter war völlig überfordert. Erst nach 20 Minuten hatte er ein wenig Zeit für mich. Er hatte meinen Namen falsch in den Computer geschrieben. Da das Passwort aus dem Nachnamen des Gastes bestand, konnte ich nicht ins Netz kommen, das zwar einen hervorragenden Empfang signalisierte, aber ansonsten lahm wie ein Modem aus der guten alten Zeit war. Nachdem ich auch dies überstanden hatte, konnte ich endlich meine E-Mails checken, die am 1. Januar naturgemäß nur aus den üblichen Fishingmails bestanden („Ihr PayPal-konnto wurden gesperrt“ – „1000 Dollar gescenkt für Kasino-besuch!“). Leider klappte das mit den Mails nur in eine Richtung. Versenden konnte ich nichts, da die Maileinstellungen des iPads falsch eingestellt waren. Bis ich das geregelt hatte, war ich am Verhungern.

Blick aus dem Balkon auf den Pool und das dahinter liegende Meer.
Inzwischen waren ein paar Plätze frei geworden und ich suchte mir ein paar leckere Dinge aus: Hähnchen, Gemüse und Reis. Dazu ein Glas Weißwein. Wenn das Essen so warm gewesen wäre wie der Wein, hätte es ein schöner Abend werden können. Aber dieses Problem ließ sich die ganze Woche nicht aus der Welt schaffen: Das Essen war genau so lauwarm wie der Wein. So verzog ich mich wieder in die kleine Lobby-Bar nebenan und las in irgendeinem Buch weiter, das ich schon zu Hause begonnen hatte. (Wenn ich sage, „ich las in einem Buch“, meine ich natürlich, dass ich das Buch im iPad gelesen habe. „Echte“ Bücher schleppe ich schon lange nicht mehr mit mir rum.) Um halb zehn sollte in der Rezeption des Nachbarhotels „Festival“ eine „tolle“ Animation stattfinden. Nachdem ich mir den Raum und die Leute angeschaut hatte, bin ich wieder zurück in die Bar und habe das Buch fertig gelesen, den einen oder anderen warmen Wein dazu schlürfend.

Die Leute. Was waren da im „Festival“ für Leute? Tja, was soll ich sagen? Vielleicht, dass es ganz so aussieht, als wäre Ägypten inzwischen auch von Russland annektiert worden? Kein Geschäft ohne russische Leuchtreklame, kein Ägypter ohne feinste russische Sprachkenntnisse, kein Tisch ohne deutlich slawische Gesichtszüge. Deutsch sprechen auch noch die meisten, aber bei Englisch sieht es schon mau aus. Und mit Arabisch tun sich die Gäste in der Regel schwer. Ich saß inzwischen an einem Tisch mit einer nett aussehenden Dame mittleren Alters, die alle zwei Minuten ihr Galaxy-Handy auf Nachrichten überprüfte und ansonsten in einem Buch las. Ab und zu musste sie mal auf die Toilette und bat mich, solange auf ihre Sachen aufzupassen. Auf Russisch natürlich. Ich habe es aber dennoch verstanden. Als ich mit meinem Buch durch war, bin ich auf mein Zimmer gegangen. Die Uhrzeit ist um eine Stunde gegenüber Deutschland verschoben. Um Mitternacht, also 23.00 Uhr deutscher Zeit, begann ich – nach einigen Comedy-Folgen auf „Comedy Central“ – die Nachtruhe. Das Bett war ziemlich hart und daher ideal für meinen Rücken. Ich bin trotz meines eiskalten Zimmers irgendwann eingeschlafen. Die Nachtruhe wurde zwar durch ein paar nächtliche Feuerwerke und den pfeifenden Wind des Öfteren unterbrochen, aber das war mir irgendwann egal.
 
Blick auf den beheizten Pool.
Frühstück gab es bis zehn Uhr. Ich hatte mir leichtsinnigerweise kurze Hosen und ein Poloshirt angezogen. Auf dem Weg zum Restaurant wurde ich von Sturmböen der Windstärke zehn fast umgerissen. Gefühlt waren es ca. 2 Grad plus. Im Restaurant waren inzwischen wieder viele Plätze frei, sodass ich gemütlich frühstücken konnte. Ich hatte mir ein Omelette braten lassen und dazu einen Kaffee getrunken. Danach kämpfte ich mich bei starkem Gegenwind wieder zurück in mein Zimmer und zog mich winterfertig um. Es wurde Zeit, das Gelände zu erkunden. Und das war ja riesengroß. Schätzungsweise einen Quadratkilometer groß. Die Gartenanlage war sehr schön angelegt, und der Pool lag einsam und verlassen direkt vor dem großzügigen Strand. Es gab eine Bühne, eine weitere Bar und viele Sitz- und Liegeplätze. Was es nicht gab, war Sonne. Trotzdem lagen ein paar Unverbesserliche im Badezeug auf den Liegen und saugten jeden einzelnen Sonnenstrahl auf, der ab und zu durch die Wolkendeckte blickte. Nun gut, wer aus Sibirien kommt, könnte so ein Wetter himmlisch finden. Ich drehte eine große Runde, wurde mehrmals aufgefordert, mir eine Massage zu gönnen (was ich todsicher vermeiden werde!) und landete schließlich wieder in der Bar an der Rezeption, wo ich einen weiteren Kaffee einnahm, der sehr lecker schmeckte. Es war viertel vor zwölf, und der Tag hatte quasi erst angefangen. Am Nachbartisch saßen ein paar Deutsche mit sächsischem Idiom und verdrückten ein paar Gläser Bier. Mit an meinem Tisch saß ein älteres amerikanisches Paar, die beide ununterbrochen auf ihrem Handy rumtippten. Ich beschloss, ein neues Buch anzufangen.

Rolf Dobellis „Kunst des klugen Handelns“ hatte ich zwar schon mal gelesen, aber  angesichts der wenigen Optionen, die ich hier hatte, war es sicher eine kluge Handlung, dieses Buch nochmals durchzulesen. Unterbrochen durch zwei Speisungen im mittlerweile nur noch halb gefüllten Speisesaal und einem weiteren Spaziergang bei Windstärke zehn hatte ich das Buch bis zum Abend durch. Gerade rechtzeitig, um mir auf der Bühne des Haupthotels eine landestypische „Oriental-Show“ anzutun, bei der ein bisschen Bauchtanz und fliegende Röcke die russischen Fans zum Kochen brachten. Bevor das alles in Ekstase ausartete, verzog ich mich wieder in die kleine Bar in „unserem“ Empfangsgebäude. Langsam erkannte ich, dass manche Russen gar keine Russen, sondern Bayern waren. Ich konnte sogar ein paar Worte mit einer jungen Deutschen reden, die wohl drei Jahre lang in Hurghada in irgendeinem Luxushotel gearbeitet hatte und jemanden suchte, der ihr Geld wechseln konnte. Nennen wir sie Sabine. Geld? Hatte ich keins. Ich hätte auch gar nicht gewusst, wo ich das hätte wechseln können. In der Rezeption jedenfalls nicht, wie das Mädel feststellte. Und die Banken sind irgendwo in der Stadt. Einen Automaten gab es auch nicht. Also ließ ich das mit dem Geld. Gegen 23.00 Uhr kämpfte ich mich dann in mein eiskaltes Zimmer und ging erstmals seit Jahren halb angezogen ins Bett. Überflüssig zu erwähnen, dass die Klimaanlage nur kühlen, aber nicht heizen konnte. Im Fernsehen lief „Stubbe“ und auf meinem iPad war die Batterie leer.

Am Samstag war ich schon eine Stunde früher wach. Blöderweise hatte ich meinen Haarfön zu Hause vergessen, was aber angesichts des sich steigernden Windes ohnehin egal war. Da das iPad über Nacht wieder voll aufgeladen wurde, konnte ich mir zum Frühstück die „Frankfurter Rundschau“ runterladen und sie gemütlich bei Omelett, gutem Kaffee und Obstsalat durchlesen. Na ja, ganz durch kam ich natürlich nicht, da das Laden der einzelnen Seiten sehr viel langsamer vonstatten ging als ich sie lesen konnte. Irgendwann haben die dann das Restaurant geschlossen und ich musste mich entscheiden, wie der Tag laufen soll.
Plan A: Sofort zurückfliegen. Ein weiterer Spaziergang bis zum Meer und zurück ließ den Entschluss in mir reifen, die Reise kurzfristig abzubrechen und gen Heimat zu fliegen.  Ich suchte meinen Reiseleiter auf, der sich gerade zufällig in der Bar befand und erklärte ihm mein Vorhaben. Er sagte, dass ab morgen das Wetter ganz sicher wieder gut würde. Woran liegt es nur, dass ich ihm nicht glauben wollte? Nein, ich wollte wieder nach Hause, ins kalte und mittlerweile verschneite, aber windfreie Friedrichsdorf. Yussuf telefonierte. Oder tat so, als ob er telefonierte. Wer weiß das schon. Leider stellte sich heraus, dass alle Flieger bis zum 15.1. angeblich ausgebucht seien. Und da mein Rückflug ja für den 8. bestätigt war, konnte ich Plan A leider nicht umsetzen. Yussuf wollte mich zu Plan B überreden: Kairo oder Luxor. Ersteres war mir zu gefährlich, Letzteres hatte ich mir gerade vor drei Jahren angeschaut (siehe rme-nil.blogspot.com). Blieb noch Plan C: Ausflüge buchen.

Um das Ghetto zu verlassen, konnte man bei Yussuf und seinen Kollegen ein paar Ausflüge buchen. Und das tat ich dann auch. Einmal U-Boot fahren mit Fische gucken für 46.- Euro und eine Stadtrundfahrt für denselben Preis. Am Montag und Dienstag zwar erst, aber nun hatte ich wenigstens ein Ziel, bzw. sogar zwei Ziele. Da ich aber auch den Samstag und den Sonntag irgendwie rumkriegen musste, blieb noch die Möglichkeit, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Ich nutzte das Gespräch mit Yussuf aber auch, um mich darüber zu beschweren, dass es in meinem Raum gar keine Heizung gäbe.

Zunächst habe ich mir die Altstadt von Hurghada vorgenommen. Hierzu konnte ich im Hotel ein Taxi bestellen, das nur 4 Euro kosten sollte und mich direkt am Eingang zur Altstadt absetzte. Der Fahrer wollte gar kein Geld, sondern „übergab“ mich an einen der vielen Händler, die auf so einen doofen Deutschen geradezu gewartet hatten. Als ich aber ganz schnell klar machte, dass ich nicht vorhabe, einen Begleiter an meiner Seite zu dulden, wurde er gleich ein bisschen pampig und rief mir irgendetwas sicher sehr Unhöfliches auf arabisch hinterher. Ich bin dann trotzdem kreuz und quer durch die Altstadt gelaufen. Es war so, wie es immer ist. Jeder quatscht einen an und will einem was verkaufen. Und zwar das Übliche. Kamele, gefakte Kleidung, Uhren und Schmuck. Manchmal sieht man tolle Antiquitätenläden, die aber leider alle geschlossen waren. Irgendwie wird auch in Ägypten nicht mehr jeden Tag gearbeitet. Die Gebäude in der Altstadt sind größtenteils einsturzgefährdet, was aber den Bewohnern anscheinend nichts ausmacht. Dreck und Schmutz, wo man nur hinschaut.  Übrigens nicht nur in der Altstadt. Es scheint kein Gesetz zu geben, das die Müllberge im Griff hat. Ich hätte gerne mal in einem der wenigen Cafés ein Getränk eingenommen, aber die hygienischen Zustände haben mich davon abgehalten. Außerdem waren die Sitzplätze grundsätzlich im Schatten, was ja im Sommer auch sinnvoll ist. Nur bei mittlerweile „nur“ noch Windstärke 5-6 wird´s a bisserl unangenehm. Auch in Hurghada gibt es inzwischen eine Invasion der Handy-Shops. Nach dem zwanzigsten habe ich aufgehört zu zählen. Leider konnte ich die Preise nicht mit denen aus Deutschland vergleichen, da alle Angaben auf Arabisch waren. Ich verstehe zwar jedes Wort arabisch, weiß nur nicht, was es auf Deutsch bedeutet. Haha, kleiner Scherz am Rande. Arabische Zahlen sollten zwar den unseren ähneln, aber sie sehen trotzdem anders aus. Nur die 1 und die 9 sehen sich ähnlich, wie mir Wikipedia gerade verraten hat.
 
Nachdem ich rund eineinhalb Stunden rumgelaufen war, haben sich die Geschäfte immer mehr geähnelt. Es war durchaus möglich, dass ich die ganze Zeit im Kreis gelaufen war. Wie auch immer, ich bestieg ein einheimisches Taxi und ließ mich ins Hotel zurückbringen. Da der Fahrer mich nicht verstanden hatte, zeigte ich ihm mein rosa „All-Inclusive“-Bändchen mit dem Hotelnamen drauf. Dieses Bändchen entspricht in Deutschland der Hundemarke, wenn ich das richtig verstanden habe.
Leider konnte mich mein Taxifahrer nicht nur nicht verstehen, er konnte offenbar auch nicht richtig lesen, denn die Fahrt dauerte bedeutend länger als die Hinfahrt vom Hotel aus. Irgendwann landete er dann gar auf einer Art Autobahn, die Richtung Flughafen führte. Da habe ich ihn dann gestoppt und nochmal auf mein Bändchen gezeigt. „Ah, Festival  Shedwan Golden Beach Hotel! Not Festival Al Goona!“ sagte er und war ziemlich zerknirscht, da wir in diesem Augenblick vor dem falschen Hotel mit demselben Namen angekommen waren. Es war nur ein paarhundert Meter von dem Hotel entfernt, in dem ich schon vor drei Jahren eine Woche Badeurlaub verbracht hatte. Damals waren wir kaum aus dem Hotel gekommen, sodass ein Reisebericht sich nicht gelohnt hätte. Es war quasi die Fortsetzung unserer Nilkreuzfahrt, auf die ich ja schon hingewiesen habe. Dieses Mal komme ich zwar auch kaum aus dem Hotel heraus, aber irgendwas muss ich ja machen. Also schreibe ich auf, was mir so auffällt. Die Fahrweise der Ägypter ist beispielsweise extrem angsteinflößend. Nicht nur, dass das altersschwache Honda-Taxi bei Geschwindigkeiten oberhalb 50 km/h schwer ins Schlingern geriet, waren auch die Bremsen schon lange runtergehobelt, wie man an den kreischenden Geräuschen bei jeder Bremsung hören konnte. Die Straßen sind anscheinend planlos in den Wüstensand gesetzt worden, und so manche vierspurige Autobahn endet unvermittelt vor einer großen Betonmauer. Um abzukürzen, nimmt der Ägypter auch gerne kurze Strecken auf der Gegenfahrbahn in Kauf, und allgemeine Verkehrsregeln werden durch lautes und dauerndes Hupen ersetzt. Es gibt so gut wie keine Ampeln, dafür aber alle 200 Meter dicke Hubbel auf der Straße, damit die Fahrer die Geschwindigkeit zurücknehmen. Mit ein bisschen Pech kommt einem auch ein Eselsgespann auf der Autobahn entgegen. Bei Nacht übrigens alle so gut wie ohne Licht.

Irgendwann hatte ich diese Taxifahrt überstanden und das Hotel wieder erreicht, wo gerade eine Horde neuer Bleichgesichter angereist kam. Interessanterweise waren trotz der eisigen Winde viele Leute gewillt, Ihre Haut in die Sonne zu halten, denn man konnte bereits eine Menge Sonnenbrände bewundern. Die Sachsenfraktion war inzwischen auf ein halbes Dutzend Exemplare angewachsen, die sich alle so benahmen, wie man es aus RTL2 kennt. Sorry – natürlich sind die meisten Sachsen wohlerzogene Menschen, intelligent und redegewandt, aber bei diesen Exemplaren waren es dann doch mehr die Damen und Herren, die nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens wohnen und das durch ihre Sprache, Ihr Aussehen und Benehmen deutlich machen. Die schon morgens Bier in sich reinschütten, mittags lallen und nachmittags mit offenem Hemd und offenem Mund schnarchend in den Sesseln vor dem Restaurant liegen und ihren Rausch ausschlafen.

Nutzen wir die Gunst der Stunde, um überhaupt mal zu klären, wo wir uns befinden, liebe Kinder. Wir sind in Afrika, genauer gesagt, im Norden Afrikas, in Ägypten. Das ist ein ziemlich groß geschnittenes Viereck oben rechts in Afrika. Kairo, die Hauptstadt, liegt ganz im Norden. Ägypten hat einen großen Fluss, den NIL. Der schlängelt sich das durch ganze Land von Süden nach Norden, fließt also quasi „nach oben“, was natürlich Quatsch ist. Es ist für uns halt ungewohnt, dass ein Fluss nicht die Landkarte „runter“, sondern „hoch“ fließt. Geplante und bereits gebaute Stauseen im südlichen Nachbarland Sudan führen dazu, dass der Nil immer weniger Wasser mit sich führt und manchmal sogar austrocknet. Bei unserer Nilkreuzfahrt vor drei Jahren sind wir einige Male mit dem Schiff im seichten Wasser steckengeblieben.
Das wollen die Ägypter natürlich nicht und beschweren sich daher lauthals bei ihrem südlichen Nachbarn Sudan, mit dem Bau weiterer Stauseen aufzuhören. Mal sehen, wie das ausgeht. Hurghada gehört mittlerweile zu den größten Städten Ägyptens. Während Wikipedia von 160.000 Einwohnern spricht, hört man vor Ort eher die Zahl 500.000. Im Sommer kommen noch ein paar Millionen Touristen hinzu. Da die Ägypter größtenteils muslimischen Glaubens sind, gibt es außer in den Hotels, bzw. touristischen Lokalen auch nirgendwo Alkohol, somit auch keine „natürlichen“ Nachtclubs oder Discotheken. Hurghada hat die schon erwähnte Altstadt zu bieten, eine neu errichtete Neustadt, einen luxuriösen Jachthafen (2008 eröffnet) mit über 50 Geschäften und Restaurants und ein weiteres, nördlich gelegenes Touristengebiet namens „El Goona“. Hier steht ein Superluxus-Hotel neben dem anderen. Da, wo noch keins steht, stehen Ruinen. Denn nach den arabischen Unruhen haben wohl viele Geldgeber kein Zutrauen zu Ägypten mehr gezeigt und die Bauarbeiten im Rohbau eingestellt. Im Süden geht es aber genauso schnell weiter. Auch hier sind neue Luxushotels und Einkaufszentren vom Feinsten gebaut worden.
 
Bezahlt wird mit Ägyptischen Pfunden, wobei 1 Euro etwa 9 Pfund sind. In der Altstadt hatte ich mir 200 ägyptische Pfunde aus dem Automaten gezogen, was also etwa gerade mal 23 Euro entsprach. Die Taxifahrt hatte – trotz des Riesenumwegs – nur 25 Pfund gekostet. (Ich hatte dem Fahrer natürlich mehr gegeben, weil er mir leidtat und weil ich noch am Leben war).
Die meisten Einwohner der Stadt sind ganz normal westlich gekleidet: Jeans, Hemd, Turnschuhe. Manchmal laufen ältere Männer auch noch in traditionellen beduinischen Klamotten durch die Gegend, aber nur selten. Frauen sieht man so gut wie gar nicht. Es gibt keine Kellnerinnen, Zimmermädchen oder sonst wie weibliche Beschäftigte im Hotel. Alle Arbeiten werden von schlanken, oft gutaussehenden Männern im Alter zwischen 20 und 40 erledigt. Viele haben das typisch ägyptische Aussehen, das sich deutlich von dem anderer Araber unterscheidet. Bei den Touristenführern sind hie und da auch Frauen zu sehen, aber das sind keine Einheimischen. In der Altstadt bin ich vielleicht ganze drei Mal irgendwelchen jungen Mädchen (verschleiert) begegnet – alle anderen Menschen in diesem Viertel waren Männer. Sehr seltsam. Warum werden die Frauen versteckt und wo sind sie? Die Theorie eines Reiseleiters einer späteren Tour, auf die ich noch zurückkommen werde, lautete, dass junge Mädchen vor ihrer Heirat die Familie nicht verlassen dürfen. Und Arbeit in einem Touristenhotel würde eine Trennung von der Familie bedeuten, da die Familien für so einen Job nicht nach Hurghada ziehen würden. Bei Männern ist es eh wurscht. Das junge Mädel von neulich, nennen wir sie weiterhin Sabine, meinte, dass es aber noch einen weiteren Grund gäbe. Eine Frau als Zimmermädchen könnte  unvorbereitet mit Unterwäsche von Männern konfrontiert werden, gar ein gebrauchtes Kondom finden oder – Gipfel der Perversion – ein Klo putzen müssen, auf dem ein Mann kürzlich gesessen hat. Und das könnte das Ende ihrer Reinheit bedeuten. Damit wäre sie in den Augen der Ägypter nichts mehr wert. Und um das Elend komplett zu machen, werden die Mädchen hier nach wie vor beschnitten. Dass das inzwischen verboten ist, interessiert niemanden. Vor allem die Großmütter und Mütter bestehen angeblich darauf. Soll es doch den Kindern nicht besser gehen als ihren Vorfahren. Der ägyptische Mann tut sich damit übrigens keinen gefallen. Im Gegenteil: Wenn so ein Testosteron-gesteuerter Araberhengst mal zufällig mit einer Touristin schläft, bei der das Lustsystem noch in Ordnung ist, wird er zukünftig nur noch fremd gehen wollen. Trotzdem verstümmelt und verschleiert er die Schönheiten des Orients.

Im Hotel gab es übrigens genügend Frauen, also Touristinnen. Viele Damen waren nicht mit ihrem Freund/Mann angereist, sondern mit ihrer Freundin. Auch waren viele Mütter mit ihren kleinen Kindern unterwegs, ohne dass ein zugehöriger Vater auszumachen gewesen wäre. Das Gesamtniveau der Gäste lag aber leider eher im unteren Bereich, was wohl auch dem günstigen Preis zuzuschreiben war. Ein paar Ausnahmen bestätigten wie immer die Regel. So hatte ich nette Gespräche mit einem Paar aus Hof und einem Herrn aus Leipzig (Sic!). Die Kellner haben irgendwie auch einen Narren an mir gefressen. Ich bin so ziemlich der einzige, der seine Getränke an den Platz gebracht bekommt und unaufgefordert Nachschub erhält, sollte das Weinglas mal leer sein. Da der Wein nicht nur lauwarm ist, sondern auch aus Plastikflaschen ausgeschenkt wird, auf denen ein „FANTA“-ähnliches Logo prankt, bin ich verwundert, dass ich anscheinend mit diesem Teufelszeug keinerlei Probleme hatte. Da ich bisher auch noch nicht im Geringsten betrunken war, besteht der leise Verdacht, dass der Wein vielleicht alkoholfrei war...

Jeden Tag gab´s neue Tiere, aus Handtüchern gedeichselt.
Aber auch dieses Mysterium konnte mir Sabine erklären. Der Wein wird nämlich in großen Plastikgallonen angeliefert, die einfach nicht in die Kühltheke passen. Also füllt man sie zunächst in große Bottiche, denen man eine nicht unerhebliche Menge Wasser zugibt (kein Witz!). Und dann wird die verdünnte Plörre in gerade zufällig vorhandene Plastikflaschen (also auch Cola- oder Fantaflaschen) umgefüllt.
Auf Gin Tonic und Bacardi Cola (allerdings mit einheimischen Spirituosen) habe ich bisher verzichtet. Die Kommentare der Mitreisenden waren zu vernichtend, zumal es selbstverständlich keine Eiswürfel in den Longdrinks gibt. (An dieser Stelle sei mir ein wenig Heimweh nach Friedrichsdorf, ins „Impuls“ gestattet. Olaf, Du machst das alles viel besser!)
Nach dem Abendessen, das leider nicht so dolle war, saß ich noch eine Weile in der Hotelbar und las die Rundschau vom Morgen zu Ende. Ein kurzer Blick auf die Showbühne des Haupthauses zeigte mir, dass das Animations-Programm schon vorbei war. Also ab ins Bett. Und da erlebte ich tatsächlich eine große Überraschung: Ich hatte mich ja morgens beschwert, dass meine Klimaanlage nur kühlen, aber nicht heizen könne. Jetzt konnte sie es plötzlich, und in meinem Zimmer waren es wohltemperierte 30 Grad. Ich musste den Raum also erst mal wieder runterkühlen, um es überhaupt dort auszuhalten.

Der Sonntag begann wie alle Tage. Ich war noch ein wenig früher wach und landete damit schon um 9.00 Uhr im diesmal vollbesetzten Restaurant. Ich musste ein paar Minuten warten, bis ein Platz frei wurde. Diese Zeit habe ich genutzt und angefangen, den SPIEGEL runterzuladen, der inzwischen zum Download bereit lag. Nach etwa 1,5 Stunden war er auf dem iPad angekommen. Zuhause dauert es 1,5 Minuten.

Der restliche Vormittag ging irgendwie an mir vorbei. Lesen, i-Dinger aufladen, Blog schreiben und Mittagessen. So langsam war mir klar, warum ich meine Getränke immer sofort und unaufgefordert serviert bekam. Es waren immer dieselben zwei Jungs, die mich anlächelten. Mist. Nun auch das noch. Wird eine bittere Enttäuschung sein, wenn ich demnächst knutschend mit irgendeinem Girl zum Abendessen komme. Na gut, die Wahrscheinlichkeit geht gegen Null. Homosexualität ist in Ägypten natürlich verboten und wird (angeblich) mit der Todesstrafe gesühnt. Dass es selbstverständlich auch hier denselben Prozentsatz Schwuler wie auf der ganzen Welt gibt, will man nicht wahr haben. Viele wissen vielleicht gar nichts über ihre Sexualität, da immer noch die meisten Hochzeiten auf dem Papier geregelt werden, ohne dass das Brautpaar auch nur die geringste Gelegenheit hatte, mal seine sexuelle Orientierung zu erkunden.

Am neuen "Marina"-Hafen
Nach dem Mittagessen habe ich meine zweite Solo-Tour gestartet. MARINA, der neue Yachthafen von Hurghada. Ich hatte ihn schon 2012 gesehen und konnte keine wesentlichen Änderungen feststellen. Ein paar Geschäfte hatten aufgegeben, hie und da gab es bröckelnde Mauerwerke, aber alles in Allem hatte sich der neue Yachthafen gut gehalten. Für das Taxi dorthin bezahlte ich wieder 50 Ägyptische Pfund, also gut 5 Euro.

Viel zu schade zum Essen...
Nach einem Rundgang durch den Fischmarkt (Schöne Fotos gemacht!) klapperte ich also gemütlich den Yachthafen ab und blieb auf dem Rückweg in einem Lokal hängen, dass außer (kostenlosem) WiFi auch „richtigen“ Wein zu günstigen Preisen anbot.
Meine Barschaft hatte ich an einem Automaten nochmal großzügig um 2000 Pfund erhöht, so dass ich mir eigentlich fast alles leisten konnte. So saß ich dann in der Sonne, die meine Wange mit ihren Strahlen streichelte und checkte über das kostenlose WLAN die Welt. Und wenn nicht irgendwann die Sonne verschwunden wäre und mich zum Frösteln gebracht hätte, wäre ich wohl bis Mitternacht dort geblieben. Der Wein, dessen Herkunft ich überhaupt nicht erfahren habe, schmeckte außerordentlich gut. Zwei Gläser davon am helllichten Nachmittag bewirkten durchaus eine Reaktion, die mir bekannt vorkam. Üblicherweise hätte ich jetzt das Auto stehen gelassen, aber ich hatte ja gar keins dabei. Also musste ich mir wieder ein Taxi nehmen. Der Fahrer war allerdings unverschämt. Er wollte für dieselbe Strecke wie auf meiner Hinfahrt den doppelten Betrag, also 100.- Pfund. Ich bat ihn, wieder anzuhalten, da ich nicht bereit sei, das zu bezahlen. Dann lachte er, sagte, wenn ich kein Geld hätte, wär das auch kein Problem, dann würde es eben nur 50.- Pfund kosten. Also blieb ich sitzen. Dann fragte er – wie üblich – wo ich herkäme. „Germany“, sagte ich. „Dann es kostet 200 Pfund“ sagte er eiskalt und fing erst an zu lachen, als er sah, dass ich in diesem Punkt nun überhaupt keinen Spaß mehr verstehen würde. „Wie ist Dein Name?“ frage er mich weiter aus. Ich sagte ihm, ich hätte keine Lust, mit ihm zu sprechen. Er möge bitte einfach nur fahren. Vor dem Hotel gab ich ihm wortlos die 50.- Pfund. „Alles wieder gut?“ fragte er abschließend. „Ja“, knurrte ich und schälte mich aus dem Hyundai. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass er das Taxameter einschaltet. Dann würde er für die Fahrt wenigstens Steuern zahlen. Aber wie man so hört, drücken sich wohl alle Taxifahrer darum. Sabine sagte mir später, dass etwa sieben Pfund auf dem Taxameter hätten stehen müssen.

Als ich da so in der Sonne saß und die Passanten anschaute, fielen mir ein paar Dinge auf:

1.     Der gut aussehende Ägypter nimmt sich gerne europäische Touristinnen zur Freundin. Und zwar genau die, die aus nahe liegenden Gründen zu Hause keine Freunde bekommen. Scheint ein lukrativer Job zu sein.
2.     Wenn Ägypter hingegen gut aussehende Europäerinnen als echte Freundin haben, rauchen sie gerne Wasserpfeife, während die Freundin in Büchern liest oder in Facebook rumtrödelt. Gesprochen wird dann kaum noch. Erst beim Bezahlen „leiht“ sich der ägyptische Lover dann gerne mal Geld vom Mädel.
3.     Touristen sollten bei allem, was sie laut sagen, immer daran denken, dass jemand in der Nähe sitzen könnte, der deren Sprache versteht. So auch an diesem Nachmittag, als drei Berliner sich schräg hinter mich setzten und über durchaus kriminelle Dinge im zwischenmenschlichen Bereich diskutierten. Als ich bezahlt hatte, habe ich mich noch mit einem freundlichen „Schönen Tag noch“ verabschiedet, was den Dreien augenblicklich sämtliche Farbe aus dem Gesicht getrieben hat. Hoffentlich finden sie nicht raus, wo mein Hotel wohnt...

Der richtige Wein hatte mich ein wenig beschwipst und mir gute Laune gemacht. Das nach wie vor lauwarme Abendessen passte bestens zum lauwarmen Wein. Zufällig traf ich auch „Sabine“ wieder, die – jetzt kann ich es ja verraten – wegen ihrer früheren Mitarbeit in diesem Hotel nicht wiedererkannt werden möchte. Sabine hat aus ihren langen ägyptischen Jahren viele Freunde in Hurghada. Und wenn sie zufällig hier zu Besuch ist, belegen natürlich alle diese Freunde möglichst viel ihrer freien Zeit. Nach dem Essen hatte sie noch Lust, sich die Nightshow im Haupthotel anzuschauen, bevor sie ein Date in der Innenstadt erwartete. Deshalb gingen wir die paar Meter rüber in die Rezeption des Haupthotels. Und jetzt wurde ich auch endlich aufgeklärt, was das mit diesen beiden Hotels zu bedeuten hatte. Vor ein paar Jahren kaufte Thomas Cook den Laden, der ziemlich am Ende war. Man teilte das Hotel in zwei Bereiche. Das Haupthotel „Festival“ sollte zukünftig nur den boomenden Russen dienen und das neuerbaute „SmartLine Colour Beach Hotel“ den Europäern zu Diensten sein. Die Russen hatten streng in ihrem Ghetto zu bleiben, während die Europäer durchaus auch nach Russland eindringen konnten. Na ja, das kennt man ja aus der Geschichte. Inzwischen hat sich das aber wieder geändert. Die Russen sind inzwischen auch in den europäischen Teil des Hotels eingezogen. Ähnlichkeiten zu aktuellen politischen Ereignissen sind rein zufällig.  Es ist aber alles halb so schlimm. Im Gegensatz zu den Horrormeldungen z.B. aus Thailand benehmen sich die Gäste in „unserem“ Hotel durchaus anständig. Jedenfalls, bis ich im Bett bin. Geschichten vom Hörensagen will ich nicht kommentieren.

So, Sabine zog dann ab, und ich wanderte die dreißig Meter zurück in die Lobby-Bar. Der einzig freie Platz war bei einem jungen Paar , das Karten spielte. Beide waren Lehrer aus Marburg, wobei aber nur er derzeit einen Job hatte und sie schon seit drei Jahren – nach Ihrer Abschlussprüfung – auf einen solchen wartete. Schon komisch. Da bildet der Staat für teures Geld dringend benötigte Lehrer aus, und dann hat er keinen Job für sie. Mit den beiden habe ich mich noch sehr lange und intensiv unterhalten, bis ich dann auch endlich – nach unzähligen verdünnten Weinen – genug hatte vom Trubel der Nacht. Immerhin wartete morgen mein erster „offizieller“ Ausflug auf mich: Tiefseetauchen im U-Boot.

Der Ausflug begann um 11.10 Uhr. Pünktlich wurde ich vor dem Hotel mit einem Zubringerbus abgeholt. Ich war nicht allein. Mit mir fuhr auch ein etwa 40-Jähriger schlanker Mann aus meinem Hotel, der mir schon am gestrigen Abend aufgefallen war. Und zwar wegen seines nervigen Gebabbels. Er setzte sich ungefragt zu irgendwelchen allein sitzenden Damen und laberte deren Ohren blutig. Die meisten haben schon nach wenigen Minuten aufgegeben und sind einfach weggegangen. Nun saß er neben mir im Kleinbus und quasselte mich an. Er wollte einfach besonders geistreich und witzig sein und lag mit seiner Nummer leider völlig daneben. Er musste einfach alles kommentieren und seine Witzchen darüber machen. Nun bin ich ja schon selbst jemand, der eher eine Freundschaft aufgibt als einen Gag auszulassen, aber seine Scherze waren einfach zu blöde für mich. Er kam mir vor wie ein Schüler, der von seinen Mitschülern ständig gehänselt wird, weil er so dämlich ist. Dass er von Beruf Psychologe war, hat mich dann noch nicht einmal gewundert.

Wer hat, der hat.
Nachdem wir alle weiteren „Taucher“ aufgelesen hatten, landeten wir an der Ausgangsbasis der Expedition – ganz im Süden von Hurghada. An der Kasse erhielten wir rote Plastikmarken mit Platznummern, die mit den entsprechenden Sitzplätzen im U-Boot korrelierten. 44 Plätze hatte jedes Boot – und ich hatte die Nummer 44. Vor dem Transport zu den U-Booten mussten wir warten, bis die letzte Tauchergruppe wieder zurückgekommen war. Damit man sich in diesen etwa 30 Minuten nicht langweilte, konnte man sich die sehr schön modellierten Fische und andere Meerestiere anschauen, die in sehr vielen Schaukästen ausgestellt waren. Voller Stolz hatte die Betreiberfirma auch die TÜV-Zertifikate (TÜV NORD) aushängt, um den Tauchern ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Dieses Gefühl wäre um einiges besser gewesen, wenn der TÜV nicht schon am 30.3.2013 abgelaufen gewesen wäre. Die ganze Zeit hing mir der Psychologe an der Seite und plapperte seinen Unfug. Natürlich wollte er irgendwann wissen, was ich denn so triebe. Ich sagte: „Ach wissen Sie, ich mache in Mädchenhandel und Drogenschmuggel. Da bleibt wenigstens was hängen.“ Dreißig Sekunden Stille. „Ja, ist ja auch ein Beruf.“ Sprach’s und ging mir aus dem Wege.
Bevor wir in die U-Boote steigen konnten, mussten wir mit einem Zubringerboot auf eine Plattform mitten im Meer gefahren werden. Die Feuerlöscher auf diesem Boot waren aus dem Jahr 1993. Dann hieß es wieder warten, bis eins der Boote freigeworden war und wir das U-Boot entern konnten. Ja, es war wirklich ein richtiges U-Boot. Man musste eine senkrechte Trittleiter ins Innere klettern, um an der Mission teilhaben zu können – was für einige Damen und ältere Herren (nicht für mich!) gar nicht so einfach war. Vor allem die Damen mit kurzen Röcken waren etwas aufgeschmissen.
Nun gut, irgendwann waren alle im U-Boot versammelt, und das Abenteuer konnte beginnen. Im Vorfeld war von 25 Metern Tauchtiefe die Rede, die Spannung wuchs. Mein Platz war direkt hinter der Kommandozentrale des Hightech-Ungetüms. Kapitän und Co-Captain in ihren schicken Uniformen mit diversen Streifchen machten es sich auf ihren Hockern bequem. Durchsagen auf Russisch und Englisch verkündeten den Tauchgang und dann ging es auch schon los.

Na ja, so richtig los ging es leider nicht. Die Wassertanks wurden nach und nach mit insgesamt 3600 Litern Wasser gefüllt. Das war ein bisserl mehr als das Gesamtgewicht der Passagiere. Entsprechend langsam – und vor allem – entsprechend wenig sank das U-Boot. Ich konnte die ganzen Daten ja direkt neben mir im Cockpit mitlesen. Der Bildschirm in der Mitte der Bedienungskonsole zeigte das Kamerabild vom Deck des U-Bootes. Und das blieb die ganze Seit über Wasser. Oder anders gesagt: Mehr als ein oder maximal zwei Meter sind wir nicht gesunken. Egal, wir waren unter Wasser, allein das zählte. Vor den einzelnen Sitzen gab es zweierweise große Fenster, die den Blick in die wilde Natur freigaben. Kinder jauchzten vor Freude, und mein Psychologe hatte bereits ein neues Opfer gefunden. Alles wartete auf die Fische. Aber da waren keine. Sollten wir im toten statt im Roten Meer gelandet sein?

Nun gut, es war Montag, und ich weiß nicht, nach welchen Arbeitstarifen Fische beschäftigt werden. Heute waren jedenfalls keine Fische zu sehen. Noch nicht. Denn die Betreiberfirma hatte sich doch tatsächlich ein todsicheres System ausgedacht, die faulen Biester doch noch vor die Luken zu locken: Man hatte einfach zwei echte, richtige Taucher beschäftigt, die plötzlich vor unseren überraschten Augen auftauchten und mit Brot um sich warfen. In Fischekreisen hatte es sich vermutlich inzwischen herumgesprochen, dass da irgend so eine dämliche U-Bootfirma mit altem Weißbrot klotzt, um den Fischen den eigenen Nahrungserwerb zu erleichtern. Ist ja klar, bevor man mühsam den Meeresboden nach Plankton abgrast, nimmt man doch lieber die Krumen dieser merkwürdigen, schwarz gekleideten Männer als Speisung. Und so hatten wir plötzlich unsere Fische vor Augen. Ein paar Zebrafische, etwa 10 cm groß und Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Silberfischen (nicht die Sorte aus meinem Bad, etwas größer waren sie schon).

Das Tempo des U-Bootes (soll ich es wirklich noch so nennen?) betrug etwa ein Meter pro Minute, was man nicht gerade als schnell bezeichnen kann. Und so wurde die Fahrt trotz der Fütterung nicht gerade ein Action-Spektakel. Als hätten die Jungs von „Seebird“ das nicht vorhergesehen, haben sie zwei weitere Trümpfe aus dem Ärmel geholt: Zum Einen sah man plötzlich eine steinerne Meerjungfrau auf dem Boden liegen, die von den Fischen zwar gänzlich ignoriert wurde, aber immerhin für eine Abwechslung des Testbilds sorgte, und zum Zweiten tauchte plötzlich ein gesunkenes Schiff auf! Ja, ein mit Goldfässern beladener Kahn, der da zufällig am Meeresboden vor sich hindümpelte. Hui, haben die Kinder gejubelt! Jedenfalls die auf meiner Seite. Auf der anderen Seite war ja leider nichts zu sehen. Während ich noch darüber nachgrübelte, warum man die Schätze der Tiefsee nur der einen Hälfte des U-Bootes vorzeigte, hatte dieses bereits heimlich gedreht und kam auf dem Rückweg wieder an dieser Schabracke vorbei, diesmal nur für die andere Seite sichtbar. Auch die Seejungfrau tauchte wieder auf, und das Schiffchen dann irgendwann – nach viel zu langer Zeit – endlich auch.

Was für ein Fake! Das U-Boot war zwar ein solches, weil wir wirklich unter Wasser waren, aber die Tauchtiefe war ja nun einfach lächerlich. Die Strecke war nicht frei gewählt, sondern ein etwa 100 Meter langer Schleichweg unter Wasser, der Disneypark-mäßig mit ein paar winzigen Effekten ausgestattet wurde. Leid taten mir die armen Taucher, die mit Brot um sich schmeißen mussten, um wenigstens ein paar einfachste Fischchen anzulocken und die beiden U-Boot-Fahrer, die ja wohl den dämlichsten Job aller Zeiten haben. Ich war heilfroh, nach weit über einer Stunde endlich wieder ins Freie klettern zu können.

Im Bus saß ich dann leider wieder neben diesem Psychologen, der schon auf dem Rückweg wieder Kontakt zu mir gesucht hatte. Irgendwie schämen die sich ja für nix . Um ihm zumindest für heute zu entgehen, bat ich den Busfahrer, kurz anzuhalten. Ich hätte noch was zu erledigen. Mit einem gewissen Lächeln verabschiedete ich mich von der Nervensäge und beschloss, mir einfach mal die Beine zu vertreten. Verlaufen konnte ich mich nicht, solange ich einfach die Küste entlang lief.

Da es im U-Boot natürlich nichts zu essen gab (die Fische waren ja draußen – haha!), bin ich so gegen drei in eins der vielen Luxushotels gegangen und habe mir eine Portion Reis mit Schrimps und Hühnchen bestellt. Es war so lecker wie selten. Außerdem gab es WiFi frei, sodass ich endlich mal wieder ein wenig arbeiten konnte. Zehn Mails und drei Telefongespräche später lief ich dann weiter Richtung Heimat. Und zehn Minuten und drei Gewissensbisse später stieg ich dann ins Taxi zum Hotel.

Abends schlechtes Essen und erschreckende Erkenntnisse. Die nette Familie mit der philipinischen Mutter, ihrer zehnjährigen Tochter und dem sympathischen Ehemann haben sich als ziemliche Horsts geoutet. Prototypen des typischen RTL-Zuschauers. Fans von Serien wie „Die Auswanderer“, „Zwegat“ und dergleichen. Menschen, die aus Prinzip keine öffentlich-rechtlichen Fernsehsender sehen. Und natürlich gegen die Rundfunkgebühren geklagt und verloren haben.
Bin dann irritiert und frustriert früh zu Bette. Hab´ noch ein wenig Privat-TV geschaut (Comedy Central) und bin um zwei Uhr mit starken Bauchschmerzen wieder aufgewacht. Waren die Shrimps vielleicht schlecht? Würde ich den morgigen Tag überstehen? Die Stadtrundfahrt sollte schon um zehn Uhr starten...

Zusammen mit einem jungen polnischen Ehepaar samt dreijähriger Tochter wartete ich am nächsten Morgen auf den Zubringerbus, der pünktlich um zehn vor der Tür stand. Die beiden Polen sprachen auch perfekt deutsch, so dass ich mich ein bisschen unterhalten konnte. Irgendwann wurden wir dann in einen großen Bus umgeladen. Unser Reiseleiter kam aus Kairo, wohnte aber schon 15 Jahre in Hurghada, wie er mehrmals versicherte. Sein Thema war weniger die Geschichte Ägyptens oder wenigstens Hurghadas, sondern sein Lamento über das Ungleichgewicht zwischen arm und reich. Bzw. seine Beschwerden, dass es bei ihm zum reich werden noch nicht gekommen ist. Wir fuhren zunächst an der Rückseite der neuen MARINA vorbei, von der ich ja schon geschrieben hatte. Hier war die ursprüngliche Mitte der Stadt – und durch den Bau der Marina sind die Grundstücke und Häuser in der Nähe extrem teuer geworden. Viele arme Schlucker waren durch den Verkauf ihrer Trümmerhaufen plötzlich Millionäre geworden(beim Umrechnen bitte den Kurs beachten!). Das gefiel ihm gar nicht. Familien sollten ihre Häuser nicht verkaufen dürfen. Sie sollten von Generation zu Generation vererbt werden.

Der Bus hielt an der Marina und wir wanderten ein paarhundert Meter zum größten Glasbottomboot der Welt. Genauer gesagt war es gar kein Glasbottomboot, sondern ein weiteres gefaktes U-Boot. Im Rumpf des Schiffes waren große Luken angebracht, durch die man ins Wasser schauen konnte. Auch hier waren zunächst keine fischigen Darsteller zu sehen. Erst als von Deck aus das obligatorische Weißbrot in die Fluten geworfen wurde, sausten die Silberfische vom Vortag wieder an und fraßen sich den Wanst rund. Heute waren es deutlich mehr als am Tag zuvor – und es gab auch vereinzelt Exemplare anderer Fischsorten. Was mich aber am meisten schockiert hat: Die Fische pinkeln ins Meer! Ja ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen! Ein etwa 30cm großer, bunter Fisch stieß plötzlich eine wahre Fontäne nach hinten aus, die nicht der Fortbewegung diente. Und schon habe ich einen weiteren Grund, nicht mehr ins Meer zu gehen...
Interessant war auch, dass diese ganzen kleinen Schwärme auf irgendein Kommando zu hören scheinen, dass bisher noch keiner entschlüsselt hat. Ohne sichtbaren Grund wechselt so ein Schwarm innerhalb von Millisekunden geschlossen die Richtung. Wer gibt den Befehl? Können Fische sprechen? Wer ist der Chef? Rätsel über Rätsel, die ich auch nach 30 Minuten noch nicht lösen konnte. Deshalb bin ich lieber wieder an Deck geklettert, um meine Birne in die Sonne zu halten.

Eineinhalb Stunden später saßen wir wieder im Bus, um genau 200 Meter zur Moschee gefahren zu werden. Als unser Reiseleiter dort jedoch verkündete, dass Männer in jedem Aufzug willkommen seien und sogar die Schuhe anbehalten dürften, Frauen sich hingegen mit einem speziellen Umhang und hinter einem Schleier zu verstecken hätten, habe ich den Besuch der Moschee verweigert. Eine Religion, die so dämliche Ansichten über Frauen in Ordnung findet, verdient nicht, dass ich mir ihre Veranstaltungsräume anschaue. Ich ging also ein bisschen durch die ursprüngliche Altstadt des Ortes, die wohl in alten Zeiten aus gerade mal 3000 Einwohnern bestanden haben soll.  Leider auch hier wieder Verfall, wohin man nur sah. Der Dreck auf den Straßen, der Müll, der ganze Schutt – es ist mir ein Rätsel, wie sich ein Mensch hier freiwillig aufhalten kann. Also zurück zur Moschee. Da es ziemlich lange gedauert hatte, bis unsere rund 15 Damen blickdicht verpackt waren, kam die Truppe auch entsprechend später aus der Moschee zurück. Während meiner Wartezeit wurde ich mehrmals von Taxifahrern aufgefordert, in die Moschee zu gehen statt hier rumzusitzen. Ich blieb natürlich standhaft.

Weiter ging es nun zur nächsten Kirche. Der Ausgewogenheit wegen eine christlich-orthodoxe Kirche. Also eines dieser Gotteshäuser, die in Ägypten seit  2-3- Jahren gerne in Brand gesteckt oder mitsamt Attentäter in die Luft gesprengt werden. Damit das nicht mehr so häufig vorkommt, hatte das Militär einen Panzer und ein paar schwerstbewaffnete Soldaten vor der Kirche postiert. Auch hier zog ich den Nichtbesuch vor, obwohl sich hier niemand verschleiern musste. Beide Glaubensformen zeigten im direkten Vergleich, welches Unglück diese blöden Religionen auf der Welt verursachen. Manchmal komme ich mir vor wie ein Besucher aus der Zukunft, der über soviel Dummheit nur noch den Kopf schütteln kann. So abwegig ist der Vergleich gar nicht, wenn man sich z.B. das Frauenbild in Ägypten mal etwas genauer betrachtet.

Moschee aus Prinzip nur von außen
Nun waren schon viereinhalb Stunden vergangen und ich bekam langsam Hunger. Aber erst mussten wir uns noch durch die Basare der Altstadt schleppen. Ich hatte das Vergnügen ja bereits vor ein paar Tagen und wusste, was uns da erwartete. Und genau so war es auch wieder. Dämliche Anmachsprüche, Beleidigungen bei Nichtinteresse, völlig überteuerter und verdreckter Plastikscheiß. Ein junges Pärchen aus Stuttgart erzählte mir, dass sie auch schon alleine in diesem Viertel waren und allen Ernstes sogar harte Drogen angeboten bekommen haben. Nach 45 Minuten wollten wir weiterfahren, aber ausgerechnet der einzige Araber unserer Truppe tauchte nicht mehr auf. Er und sein kleiner Sohn hatten sich anscheinend verlaufen. Unser Tourleiter nutzte die Gelegenheit, uns Touristen sogenannte Kartouchen anzupreisen. Das sind so kleine rechteckige Silberplättchen, in die der eigene Name aus arabischen Schriftzeichen geprägt wird. Auf der Rückseite kann man noch sein Sternkreiszeichen oder einen Skarabäus eingravieren lassen. Das alles pauschal für nur 10.- Euro in Silber oder 15.- Euro bei goldener Schrift. Egal wie lange der Name ist. Nachprüfen kann man die Schreibweise, weil man eine entsprechende Buchstabierungstabelle ausgehändigt bekommt. Etwa zehn Touristen wollten so ein Ding haben, dass noch am selben Tag ausgehändigt werden sollte. Irgendwann hatte der Busfahrer unseren verschollenen Araber wiedergefunden und es ging mit 15 Minuten Verspätung weiter.

Auf dem Weg zum weit entlegenen Ort des Mittagessens erzählte uns der Tourleiter, wie nett doch der Herr Mubarak gewesen sei. Immerhin habe er Autobahnen (!) und 16 Trabantenvorstädte gebaut, deren Tausende Wohnungen damals nur 10.000 Euro pro Stück gekostet hätten. Leider habe er sich damals nicht getraut, da mitzumachen, so dass er jetzt wieder keine Chance habe, durch den Verkauf der nun nicht mehr mitten in der Wüste liegenden Wohnung zum Millionär geworden zu sein. Er hatte die Chance und das Geld, beschwert sich aber jetzt, dass Andere die Weitsicht hatten, sich da einzukaufen. Mir kamen die Tränen.

Um 16.00 Uhr gab es dann endlich Mittagessen – irgendwo ganz weit draußen in der Nähe des Flughafens. Das Essen war zwar wie üblich ungewürzt, aber deutlich besser als im Hotel. Leider auch nur lauwarm. Das Cafe/Restaurant war Teil eines riesigen Einkaufszentrums, in dem wohl keine angesagte Marke gefehlt haben dürfte. Die Besichtigung dieses Super-Mall gehörte leider nicht zur Tour – ich konnte nur einmal schnell durchlaufen, dann fuhren wir weiter.

Als nächstes kam die einzige Besonderheit dieses Ausflugs: Der Besuch eines Sandmuseums. Der geneigte Leser wird mit Recht fragen: „Was ist das denn?“ Hier wurden in Handarbeit wunderbare Skulpturen aus Sand hergestellt, die offenbar dem ganzen Wind und auch so manchem Regentropfen trotzten (in Hurghada hat es in den letzten 15 Jahren angeblich nur sechsmal ergiebig geregnet!). Das Gelände ist in zwei Bereiche unterteilt. In dem einen sieht man die ganzen „klassischen“ Skulpturen wie z.B. die Sphinx oder Cleopatra und in dem anderen die moderne Popkultur von Donald Duck bis Johnny Depp als Captain Sparrow. Die Charaktere sind allerfeinst in zwei unterschiedlichen Sandfarben modelliert und waren für mich die größte Überraschung des noch jungen Jahres. So etwas hatte ich noch nie gesehen.  Drei Mitarbeiter kletterten auf manchen der Skulpturen rum und besserten die Stellen aus, die das Wetter zerstört hatte. Eine nicht enden wollende Arbeit, die sich aber lohnte.

Die Sphinx (hinten) ist aus Sand!
Das wäre ein glänzender Abschluss dieser Tour gewesen, aber wir sollten noch lange nicht am Ende sein. Schon vor dem Besuch des Basars warnte uns der Reiseführer, dort beispielsweise keine Gewürze zu kaufen, da sie infolge der Drecks und der Abgase schlechthin ungenießbar wären. Lieber sollten wir warten, bis wir solche feinen Dinge später im „Kaufhaus“ kaufen könnten. Dort wäre es in der Regel auch nicht teurer als auf dem Basar – und die Preise wären dort fix, so dass man sich das ungewohnte Handeln ersparen könne. Also auf ins Kaufhaus! Ich hatte bereits am Vortag in einem dieser Riesenkaufhäuser zwei Kaffeepötte erstanden – das Stück für 25 Pfund, also etwa 2,75 Euro. Das heißt, ich hatte einen Vergleichspreis. Natürlich war „unser“ Kaufhaus nichts anderes als eine weitere Touristenfalle, die von allen Bussen tagaus, tagein angefahren wurde. Es gab dieselben Dinge wie in dem wirklichen Kaufhaus, in dem ich am Tag davor war, aber die Preise lagen doch arg daneben. Die absolut identischen Kaffeepötte kosteten hier 52 Pfund pro Stück, also rund 5,75 Euro! Und da gab es auch keinen Verhandlungsspielraum. Wütend ging ich zurück in den Bus und wartete auf die Beendigung der Kaffeefahrt. Diesmal war unser Reiseleiter selbst zu spät wieder an Bord. Statt die Quälerei endlich zu einem Ende zu bringen, sollten wir als nächstes noch eine Papyrus-Demonstration anschauen. Da ich auch diese Vorführung schon etliche Male ansehen musste und völlig klar war, dass es auch hier nur darum ging, dem doofen Touristen weitere Euros aus der Nase zu ziehen, habe ich die Tour von meiner Seite aus abgebrochen. Es war inzwischen halb sieben – vor 20.00 Uhr wäre ich mit Sicherheit nicht nach Hause gekommen. Das junge polnische Ehepaar sagte mir später, dass es sogar halb neun wurde, weil der Anschlussbus nicht erschienen war...
Ich sollte dann noch ein Bewertungsformular ausfüllen. Das habe ich verweigert, weil das ohnehin nur sehr schlecht ausgefallen wäre. Der Tourleiter gab genervt auf und sagte dem herbeigerufenen Taxifahrer, wo er mich hinbringen sollte. 20 Pfund sollte die Fahrt kosten. Tatsächlich war es die längste Taxifahrt überhaupt, die ich in dieser Stadt erlebt habe. Daher habe ich ihm 50.- Pfund gegeben (Kleineres Geld hatte ich sowieso nicht...).

Zum Abendessen setzte sich Sabine wieder zu mir an den Tisch und erzählte mir Einiges von dem, was ich in den vorherigen Seiten schon verbraten hatte. Sie war in der Nacht davor (genau wie mein Lehrerehepaar) in der Disco versackt und noch nicht wieder ganz auf dem Damm. Ständige Anrufe ihrer Freunde führten aber dann doch dazu, dass sie sich wieder ins Nachtleben stürzte. Ich sah mir mal wieder die „Große Tanzshow“ auf der Showbühne des Nachbarhotels an, konnte aber nichts auch nur im geringsten Herausragendes entdecken – und das, obwohl doch heute Russische Weihnachten war! Dies konnte man eher am Zustand der Toiletten erkennen und an der Weigerung eines Barkeepers, gewissen Gestalten weitere Longdrinks auszuschenken. Ein letzter Blick in die Lobby-Bar zeigte mir, dass ich hier auch nichts mehr zu suchen hatte. Die Alternative war viel verlockender: Heia. Es wurde trotzdem noch zwei Uhr, bis ich endlich ins Bett kam. Irgendwann musste ja dieser Blog weiter geschrieben werden...

Und dann kam auch schon der letzte Urlaubstag (wenn man den Tag der Rückreise nicht mitrechnet). Ein Tag, an dem nicht mehr viel passierte. Das Wetter hatte nach zwei freundlichen Tagen wieder auf Winterbetrieb umgestellt. Es blies ein eiskalter Wind, der den Sand aus der Wüste auf alle Oberflächen pustete. Dennoch saßen viele Urlauber dick verpackt vor der Lobby, weil es zum Einen drinnen keine Plätze mehr gab und es sich außerdem um Raucher handelte, die ihrem Laster frönen mussten. Beim Mittagessen fragte mich der Chefkellner, ob ich ihm ein paar Euro in Ägyptische Pfunde wechseln könne. Ich konnte, war sogar froh, die ganzen Scheine loszuwerden, da ich keine Möglichkeit sah, das Geld hier in Hurghada noch irgendwie sinnvoll auszugeben. So wechselte am Abend ein Sack deutscher Euromünzen im Tausch gegen 50-Pfund-Scheine die Besitzer. Ich hatte den Jungs einen deutlich besseren Kurs gegeben als sie in der Bank bekommen hätten. So kann man auch mit kleinen Dingen andern Menschen Freude bringen. Ich hatte jetzt immer noch 600 Pfund in der Tasche, die ich irgendwie bis zum Abflug verbraten musste. Ich entschied mich für großzügige Trinkgelder, denn das gesamte Personal des Hotels war überaus freundlich, immer gut gelaunt, immer hilfsbereit mit einem Lächeln im Gesicht. Nach ein paar Tagen wussten die Kellner, was ich trinke und stellten Wein oder Kaffee unaufgefordert auf meinen Platz, während ich noch das Essen zusammenstellte. Leere Weingläser wurden bis auf Widerruf automatisch gefüllt, was angesichts der Vorverdünnung des Weins kein wirkliches Problem darstellte.

Während des gesamten Urlaubs musste ich zwar auf Hunderte von E-Mails antworten, war aber sonst von größeren SOS-Sprechaufträgen verschont. 5 kurze Beiträge für den MDR habe ich vertont und über das Internet nach Dresden geschickt. Das Uploaden dauerte manchmal mehr als eine Stunde – und das, obwohl ich extra nur mp3-Dateien produziert hatte. Dafür wird der Tag nach meiner Rückkehr ein harter Arbeitstag werden, denn aufgeschoben war ja nicht aufgehoben.

Nach dem Abendessen traf ich mich nochmal mit dem Marburger Lehrerpaar, die tagsüber durch halb Hurghada gelaufen sind, ohne aber die wirklich tollen Stellen entdeckt zu haben. Zusammen haben wir uns noch einmal die „große „Überraschungsshow“ im Haupthotel angeschaut, die völlig identisch mit der gestrigen Show war: 5 Hansels tanzten 5 Lieder, danach eine halbe Stunde Disco mit einer seltsamen Mischung: HELENE FISCHER und WOLFGANG PETRY in einer Russendisco in Afrika. Immerhin hatten wir einen Kellner, der die Getränke schneller brachte als wir sie trinken konnten. Und dazu führten wir weltbewegende Gespräche über Religion im Allgemeinen und den Islam im Besonderen. Ganz so, wie Blinde von der Farbe reden. Um elf war der Abend für uns zu Ende.

Der Abreisetag war nicht weiter erwähnenswert. Diesmal habe ich sogar auf das Käsebrot im Flieger verzichtet. Um 23.00 Uhr war ich wieder zuhause.

Fazit: Das nächste Mal lieber ein paar Euro mehr ausgeben, dafür aber ein besseres Hotel auswählen. Hurghada selbst hat nicht wirklich viel zu bieten, aber bei besserem Wetter, bzw. weniger Wind ist selbst Anfang Januar, also im tiefsten Winter Ägyptens, ein Kurzurlaub möglich. Wer weiß, wie lange man dort noch hinfliegen kann.

12. Januar 2015